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Speedboarding

Ich pendle mit Easyjet zwischen Basel und Berlin. Das ist erstaunlich, wenn man weiss, dass ich noch vor zwei Jahren unter massiver Flugangst litt und mich darum schon so gut wie damit abgefunden hatte, dass sich mein Wirkungskreis auf die Kontinente beschränken wird, die über den Landweg zu erreichen sind. Da gehört Berlin dazu, wird der findige Geographiekenner jetzt sagen und hat natürlich Recht.
Der Easyjet-Frequentflyer beobachtet an Gate 69 bis 83 des Flughafens Mullhouse faszinierende Szenen. Aus Gründen, die sich mir nicht erschliessen, sind die meisten Flugreisenden vom Bedürfnis besessen, das Flugzeug als erste zu besteigen. Kaum machen sich die Damen von Swissport an den Gates bereit, sammelt sich eine nervöse Gruppe Eiligbesteiger mit einem Abstand von genau dreieinhalb Metern Distanz zur Gate-Theke, wohlwissend, dass es sich eigentlich schickt, den Aufruf des Fluges abzuwarten, bis man sich vom Dutyfreeshop langsam in Richtung Gate bewegt.
Bei Easyjet wurde bis vor kurzen in Boardinggruppen A bis C aufgerufen, gestaffelt nach Zeitpunkt des Checkins. First come, first save, hiess es damals. Heute macht Easyjet das Kundenbedürfnis des Erstbestiegs zu Geld und verkauft die ersten Plätze für zusätzlich 18.75 pro Strecke unter dem Label Speedboarding. Der Frequentflyer weiss: Blödsinn.
Die Gruppe Speedybording wird dann auch als erste zum Gate gebeten. Die voreilig versammelten Eiligflieger treten neidvoll einen Schritt zurück und lassen die Oberschicht unter den Billigfliegern passieren. Gruppe A folgt dicht auf Speedybording und erst mit Gruppe B passieren die nervösen Eiligflieger das Gate.
Nach längerer Studie und ein paar Selbstversuchen konnte ich das Phänomen begründen: Die ersten der Gruppe B schaffen es mit etwas Glück auf einen Fensterplatz, während sich alle andern irgendwo dazu setzen müssen.
Ich für meinen Teil gehe heute noch alleine als Gruppe C durchs Gate. Aus dem einfachen Grund: Ich such mir meinen Sitznachbarn gerne aus. Und das geht besser, wenn man sich dazusetzt, als wenn man dazusitzen lässt.
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Johannes Sieber hat keine Flugangst mehr. Für den Kuppler schreibt er einmal im Monat von der Banalität des Alltäglichen und hofft, damit seinen Beitrag zur Verbesserung der Welt getan zu haben.
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www.meinetwegen.ch
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Published inUncategorized