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Bitte kein Buch!

Seit ich denken kann, und vermutlich schon etwas davor, habe ich ein zwiespältiges Verhältnis zu Büchern. Meine Eltern wollten mir die Welt des Buches bereits in meiner frühen Kindheit schmackhaft machen und lasen mir vor dem Einschlafen pädagogisch korrekten Geschichten aus sozialen Verlagen vor. Ganz nach dem Präventionsgedanken: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.
Vergebens: Abgesehen von einem pubertären Schub, der mich zwischen 13 und 14 die Gesamtwerke von Hesse, Frisch und Dürrenmatt verschlingen liess, konnte und kann ich’s mit Büchern einfach nicht. Ein Buch ist ein Buch ist ein Buch: Alle sind sie mir zu dick, zu klein gedruckt und dienen im Idealfall als Ersatz für hoch dosiertes Schlafmittel.
Mein belesenes Umfeld kann das nicht verstehen und empfiehlt mir heute noch Bücher oder schenkt mir gar welche zu Weihnachten. Ein wirklich guter Freund von mir sagte kürzlich: «Meine Eltern machten sich Sorgen, als ich anfing zu kiffen. Sie hätten sich sorgen machen sollen, als ich mit Lesen begann» Und er hat recht: Heute kifft er nicht mehr und nimmt auch sonst keine Drogen, liest aber in der Regel 7 Bücher auf einmal und versteckt sie voreinander unter Kissen und Kleidern, damit sie nicht voneinander erfahren, denn es würde sie eifersüchtig machen, wenn er an einem Abend in diesem, am Tag darauf im andern lesen würde. Hä?!
Darum reagiere ich ungehalten auf Verlage, die ihre rückläufigen Absatzzahlen mit dem Umstand begründen, die heutige Jugend lese keine Bücher mehr und hänge nur noch im Internet rum. Entschuldigung. 99.9% des bedruckten Papiers, das zwischen grauenhaft gestalteten Buchdeckeln herausgegeben wird, würde besser direkt zu WC-Papier weiterverarbeitet, als den Weg über Postfilialen zu machen, wo sie mit einem leuchtroten Bestseller-Kleber aufgewertet werden, auf dem ebenso gut «Scheisse» stehen könnte. Und sind wir doch mal ehrlich: Alles was es zur Welt zu sagen gibt, hat in einer Kolumne wie dieser Platz.
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Johannes Sieber teilt sich Wohnung und Bibliothek mit einem Oberlehrer in Deutsch und Geschichte. Für den Kuppler schreibt er einmal im Monat von der Banalität des Alltäglichen und hofft, damit seinen Beitrag zur Verbesserung der Welt getan zu haben.
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www.meinetwegen.ch
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