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Independent Music

Als MTV noch ein Musiksender war, bestimmte er meinen Sonntag Abend. Trotz Gewerbeschule am Montag und Tagwacht um 5:50, liess ich es mir nicht nehmen, die drei besten Formate der Fernsehgeschichte in Serie reinzupfeiffen: «MTV Most Wanted» mit Ray Cokes, «120 Minuten Independent Music» mit Paul King und quasi als Bettmümpfeli den «Headbangers Ball» mit Vanessa Warwick.
Zu dieser Zeit waren Musikvideos noch Musikvideos. Ohne SMS-Chat, 0900-Charts-Voting und anderem Blödsinn aus der «Customer Relationsship Marketingtheorie, Thema Kundenbindung». Als ich noch fernsehsüchtig war, fesselten uns die Inhalte an die Mattscheibe: Neues von Happy Mondays, The Cure oder den Beastie Boys erfuhren wir am Sonntagabend via Satellit von MTV UK.
Heute gibt’s dafür Myspace und Facebook. Independend Music ist zu einer Farce verkommen. Und trotzdem erhitzen sich heute noch die Gemüter bei Gretchenfrage «Ist das Indie?»: Coldplay ist es nicht, MGMT schon gar nicht, The Coral vielleicht, Gossip nicht mehr, Goose gerade noch knapp. Warum? Man weiss es nicht.
Grund dafür sind die unbestimmten Entscheidungskriterien. Es ist nicht nur eine Frage der Musik, so viel ist klar. Natürlich muss es etwas rauer sein. Ecken und Kanten sind gefragt. Etwas blurry vielleicht, jedenfalls nicht zu clean. Wäre Indie ein Teigwarengericht, es wäre Vollkorn und aldente. Apropos: In der eigenen Küche aufgenommene Alben sind auch schon mal sehr indie – egal wie es sich anhört.
Wichtig auch: Der kleine Bruder sollte «es» noch nicht kennen. Und die Doofen der Klasse auch nicht. Überhaupt am Wichtigsten: Je bekannter, desto weniger Indie. Darum heisst Indie eigentlich «Ich kenne es halt schon aber du nicht, darum bin ich viel cooler als du!». Aber das will niemand hören.
Jedenfalls entdeckte ich vor kurzem auf Facebook eine Gruppe «INDIE – presented by Sony BMG Switzerland». Vielleicht wird sie ja zu dem, was für uns MTV war: Refernz ins Sachen Indiependent Music.
Und was würde ein Curt Cobain wohl dazu sagen?
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Johannes Sieber spielt Indielektropopmusik an Parties in halb Europa. Für den Kuppler schreibt er einmal im Monat von der Banalität des Alltäglichen und hofft, damit seinen Beitrag zur Verbesserung der Welt getan zu haben.
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www.meinetwegen.ch
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