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Klassenkampf

Kürzlich hatte ich die Musse für einen DVD-Abend und fand im Regal meines Mitbewohners «Die Fetten Jahre sind vorbei» von Hans Weingartner. Zwei junge Grosstadtrevolutionäre entwickeln darin eine aussergewöhnliche Form des Widerstands gegen das etablierte Bürgertum. Sie brechen nachts in Villen ein, stellen sämtliches Inventar um, hinterlassen eine Botschaft, um anschliessend das Anwesen wieder zu verlassen, ohne etwas mitzunehmen.
Die Deppen, denkt man anfänglich, bis man versteht: Den Revolutionären ist es ernst mit der Vision, ihr Widerstand würde Nachahmer finden und letzten Endes die Welt verbessern. Ein «A Clockwork Orange» für Warmduscher, war mein erster Gedanke und erst als die revolutionäre Volksfront durch eine Freundin zum Trio erweitert war, wurde das Motiv für den mehr oder weniger organisierten Psychoterror Wohlhabender wenigstens ein klein wenig handfester: Sie nämlich überweist dem Topmanager Hardenberg monatlich mehrere hundert Euro, weil sie dessen Luxuswagen schrottig gefahren hatte und nicht dafür versichert war, weil sie es verschlampt hat, die Versicherungsprämie zu bezahlen.
Dumm nur, dass sich das Trio ausgerechnet beim Einstieg in dessen Villa erwischen lässt. Sie sahen sich gezwungen, Hardenberg in eine abgelegene Berghütte zu entführen – notabene das Ferienhaus einer Verwandten der Antiwohlstandbewegung.
Hardenberg, gespielt von Burghart Klaußner, hat eine frappante Ähnlichkeit mit dem ehemaligen deutschen Aussenminister Joschka Fischer und während man sich auf der Alm nicht ganz im Klaren darüber war, was als nächstes geschehen sollte, stellt sich heraus, dass Hardenberg dem Joschka nicht nur äusserlich gleicht, sondern auch dessen Vergangenheit hat: Aktiver 68er, Steine werfen, freie Liebe und dergleichen mehr – und schwupps war es dahin mit der Antipathie der Revolutionären.
Freunde wurden die vier bis Filmende zwar nicht, doch die Moral der Geschichte fand ich bestechend: Alle verfluchen wir das Bürgertum und den Adel genau so lange, bis wir selber einmal die Chance haben, auf einer Toilette zu sitzen, die uns den Arsch mit warmem Wasser putzt.
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Johannes Sieber wartet auf seine Chance. Für den Kuppler schreibt er einmal im Monat von der Banalität des Alltäglichen und hofft, damit seinen Beitrag zur Verbesserung der Welt getan zu haben.
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www.meinetwegen.ch
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