Zum Inhalt springen

Grüezi Mainstream

Neu ist es verpönt, Mainstream grundsätzlich doof zu finden. Noch problematischer ist es, öffentlich dazu zu stehen. Konnte in den 90er Jahren noch lauthals über Bobo und die Spice Girls gelästert werden, sind die Zeiten hart geworden für uns, die Liebhabener von MTVs «120 Minutes Independet Music»: Die Kommerzialisierung der Kunst hat sich definitiv durchgesetzt, die Revolution ist verstummt.
Auf den Umstand, dass der Kampf gegen den Massengeschmack subtil geführt werden muss, reagierte die Evolution mit zwei Typen Mensch: Coolness und Intellekt.
Typus Coolness ist pflegeleicht und umgänglich. Man kann ihn an jede Party mitnehmen, denn er äussert sich gar nicht erst zu einer Brittney oder einem Usher. Ja, er tut so, als ob er überhaupt und gänzlich unempfänglich geworden sei, für was die Masse so in Atem hält. Wird er darauf angesprochen, gesteht er das auch gern und in einem leicht bedrückten Ton. Denn: ist er ehrlich cool, leidet er mindestens ein klein wenig darunter, dass seine Sinne auf die Reizklänge zur Provokation von Masseneuphorie nicht mehr ansprechen. Alles in allem eine harmlose Entwicklung also.
Typus Intellekt ist wesentlich ernster zu nehmen und darum auch anstrengender. Man erkennt ihn an seinem irritierten Blick, wenn er seinem Roxy mal wieder mit dem CityDisc fremd geht. Er huscht dann leicht seitwärts wie eine Hyäne an den Charts vorbei zum UK-Import-Regal mit Musik-DVDs. Die sind hier billiger als im Roxy und da Typus Intellekt meist auch einher geht mit Student, sprich: mittellos, rechtfertigt das auch einen Seitensprung, jedenfalls diesen.
Anstrengend wird Typus Intellekt, wenn er sich am Samstag kurz vor Ladenschluss bei der Kassenfrau erkundigt, wer denn dieser Juanes genau sei und ob er nach kurzem Einhören richtig liege, dass der seine Wurzeln ursprünglich im Soul habe und erst in den späten 90ern und durch den Einfluss von Ibrahim Ferrer zum Latin und später zum Pop gefunden habe. Er onaniert also quasi geistig in die Münzschale auf dem Kassentresen und lächelt dabei etwas verkrampft.
Intellektuelles Gewixe ist sexuelle Belästigung, darum muss Typus Intellekt als Triebtäter und gefährlich eingestuft werden. Er eine Bedrohung für jede Kassenfrau und strapaziert die Nerven eines jeden, der in der Schlange dahinter steht. Und die Entwicklung wirft Fragen auf: Treibt uns der Kommerz in den Wahnsinn? Oder schlimmer: an die Uni?

Published inUncategorized