Seit ein paar Wochen lese ich täglich Horoskope. Diese kurzen in den Pendlerzeitungen. Selbstverständlich mache ich es heimlich und ich bin – wie wir ja alle – selbstverständlich gefeit vor einem Einfluss der kurzen Vorhersagen auf mein Befinden und mit Nichten entscheiden sie darüber, ob mein Tag erfolgreich oder etwa floppen wird. Ich mein, was soll man anfangen mit einer Prognose wie beispielsweise:
“Fische, 20.Februar bis 20.März: Mit Ihren zärtlichen Gesten sind Sie eine grosse Stütze für eine bestimmte Person. Das dürfte diese auch offen zeigen. Seien Sie dann ruhig stolz und freuen Sie sich, dass Sie so hilfreich sein können.”
So was erinnert mich im Idealfall daran, dass ich mit den Alimenten im Verzug bin oder die Waschmaschine für die anderen Mieter im Haus freigeben sollte.
Nein, ich lese Horoskope aus Solidarität. Aus Solidarität mit einem Freund, für den nach 10 Semestern Germanistikstudium endlich der Traum in Erfüllung ging. Der Traum dass sein Geschreibsel von irgendwem gelesen wird: Er schreibt Horoskope bei 20 Minuten.
Und das verpflichtet. Wehe mir, wenn ich ihm am Wochenende unter die Augen trete, ohne nicht mindestens drei seiner kurzen Werke zum Sternzeichen Fische aus der letzten Woche rezitieren zu können. Es würde als Affront gegen die schreibende Zunft interpretiert. Und das schickt sich nicht als Hobby-Kolumnist, der weder Germanistik studiert hat, noch fehlerfrei schreiben kann.
Nichts gegen Germanisten, wirklich. Aber mir kommt es manchmal tatsächlich so vor als lungerten weit über die Hälfte derer am Deutschen Seminar herum, in der Hoffnung, dort irgendwann von einem Chris von Rohr einer Pendlerzeitung zu einer Schriftsteller- Casting-Show geladen zu werden, wo dann endlich das schon immer in ihnen schlummernde Talent entdeckt würde.
Hand aufs Herz: Germanistik studieren, um Schriftsteller zu werden, ist doch irgendwie ähnlich bescheuert, wie Kunst zu studieren, um Künstler zu werden. Oder Jura zu studieren, um recht zu haben. Oder gar Arzt zu werden, um gesund zu bleiben.