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Karten

Lange beschränkte sich meine Konversation mit dem Personal der Grossverteiler-Kassen auf die Frage: “Hän Sie d’Süpercard?” und meine Antwort: “Nein. Und die Pfannenpunkte stecken (oder: kleben, falls stecken zu grob) Sie sich bitte auch sonst wohin. Samt Pfanne, meinetwegen.”
Zugegeben, das ist politisch nicht ganz in Ordnung, aber die Frage nach meinem Karten-Portfolio bereitet mir zwischenzeitlich tatsächlich Probleme bezüglich meines Agressions-Haushaltes.
Stiess ich bis vor kurzem in meinem vorwiegend links-liberal sozialisierten Kunst- und Kulturzicken-Umfeld auf breites Verständnis und Zustimmung bezüglich meiner Abneigung gegenüber Rabattpunktesysteme von Grossverteilern, sind heute, namentlich seit Pfannen-, Besteck- und Gläserpunkte-Aktionen auch diese Stimmen verstummt. Alles um mich sammelt, klebt, tauscht, feilscht, blättert in Katalogen nach handlich Nutzlosem – und löst ein.
Mich frustriert das. Darum reagiere ich seit kurzem nicht mehr auf die unanständige Frage. Schweigend schiebe ich meine Postcard zur Zahlung ein und tippe schonmal den Code und warte, tief und lansam ein- und ausatmend, wie mir das mein Psychiater für derartige Extremsituationen empfohlen hatte.
Nur kurz vor Ladenschluss und wenn wirklich viele Leute auch noch möglichst bald zahlen wollen sage ich: “Supercard? Nein, was ist denn das? Rabattsystem? Oh, das hört sich interessant an. Kann ich da mitmachen? Haben Sie mir ein Anmeldeformular und etwas zum Schreiben und kann ich das allenfalls gleich jetzt ausfüllen, damit dieser Einkauf noch mitgerechnet wird?“
Natürlich kann ich jeweils, denn die Süpercard-Kunde ist König.
Seither stapeln sich bei mir die Süpercards und Süpercard-Partnercards und ich habe einen Kleinbetrieb für die Produktion von Kreditkarten aufgezogen. Mit dem alten Stanzbeschrifter meines Grossvaters sind im Nu Name und Nummer ins Relief der Süpercards gedrückt, auf dem Balkon spraye ich die Karten in Gold und silbern. Das Stück kostet 15 Franken und erhältlich sind sie um die Ecke bei den Kindern von Achims Dürrüm.
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Johannes Sieber ist Kredtkartenfälscher. Für den Kuppler schreibt er einmal im Monat von der Banalität des Alltäglichen und hofft, damit seinen Beitrag zur Verbesserung der Welt getan zu haben.
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www.meinetwegen.ch
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