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Luxusklasse

Meine Freundin hat mich verlassen. Es kam überraschend und ging recht zackig über die Bühne. Sie liebe mich nicht mehr, ich sei mehr sowas wie ein grosser Bruder für sie geworden, wir sollen gute Freunde bleiben. Die übliche Platte.
Drei Wochen später liegen noch immer ihre Kleider bei mir rum, sie hat noch immer die Schlüssel zu meiner Stadtwohnung und fährt noch immer meinen Audi, den sie grosszügig mit meiner Kreditkarte tankt. Nur bumsen tut sie mit andern.
Ich bin selber schuld. Wer sich in eine Jüngere verliebt und sich auf eine Beziehung mit ihr einlässt, muss damit rechnen, dass sie irgendwann ‚noch ein paar Erfahrungen machen’ und ‚die Welt entdecken’ will. Verständlich, nicht?
Da darf Mann nicht im Weg stehen. Das ist wie wenn jemand auf einem Rolls Royce fahren lernte. Woher soll sie denn wissen, dass sich dieses Fahrgefühl kaum steigern lässt? Ich war ihr Erster und bis dahin Einziger.
Tatsächlich tat sie mir dann auch ein bisschen leid, als ich sie kürzlich mit einem ihrer rostbesetzten Fiats durch die Gassen stottern sah, zumal: einen wirklich glücklichen Eindruck machte sie dabei nicht. Ich hingegen hatte mir am Abend zuvor eine Neue aus der Luxusklasse angelächelt: Eine rassige Corvette. Neuwagen, frisch ab Werk, drei Jahre jünger als die alte, feuerrotes Haar mit grünblauen Augen, zarter Haut und dem Gesicht eines Engels.
Da geht einem ein bisschen Mitleid doch extrem locker vom Herz.
Warum ich mir immer wieder Teenager anlache? Die Frage wäre berechtigt. Aber meine Freunde wollen wissen ‚Wie macht er das bloss?’’
Nun, ich bin darum ein verdammt guter Werber, weil ich immer an das glaube, was ich erzähle. Selbst wenn kaum etwas davon stimmt.
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Johannes Sieber glücklich verlobt mit König Balthasar. Für den Kuppler schreibt er einmal im Monat von der Banalität des Alltäglichen und hofft, damit seinen Beitrag zur Verbesserung der Welt getan zu haben.
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