Im Zeitalter der digitalen Kommunikationsmittel ist der analoge Flirt aus der Mode gekommen. Noch schlimmer: er wurde verlernt. An einer Party jemanden anzusprechen, stellt viele vor ein Problem. Und so werden Abende damit verbracht, einen Dritten zu finden, der die Nummer des Objekts der Begierde hat – oder etwas unverfänglicher: sein Profil auf Festzeit.ch.
Es ginge wesentlich einfacher. Die Basis eines jeden Flirts ist das sich entdecken lassen. Dabei ist das Stehen am richtigen Ort weit ausschlaggebender als das richtige Aussehen. Denn die netteste Erscheinung bringt nichts, wenn sie keiner sehen kann. Neben richtigem Stehen, zählt der richtige Ausdruck. Der gelangweilte „Ist alles nicht so ganz mein Ding hier“-Blick aus der Calvin Klein Werbung funktioniert nur, wenn man auch wirklich für Calvin Klein modelt. Ansonsten gilt: Recht freundlich und interessiert – aber bitte keinesfalls auf das Zielobjekt fixiert.
So stehe man im rechten Licht und gut positioniert und warte geduldig auf einen ersten Augenkontakt – nach Möglichkeit ohne penetrant zu glotzen. Sobald dieser erfolgt, gibt es kein Zurück und es muss unverzüglich ein spontanes Lächeln folgen, das die eigene Gefühlslage zum Ausdruck bringt. Wird das Lächeln erwidert, darf angesprochen werden. Dabei bitte nicht zu kreativ. Ein freundliches „Hallo“ bringt es wesentlich besser auf den Punkt als ein angestrengtes „Du hast ein interessantes Seitenprofil“. Insbesondere wenn man sich bis anhin nur gegenüber stand.
Wartet man vergeben auf einen Augenkontakt, ist was falsch gelaufen. Allenfalls hat man sich an dem Abend für die falschen Klamotten entschieden – aber wahrscheinlicher für einen Typen aus einer zu hohen Liga. Aber der wäre dann mit Sicherheit auch über Festzeit.ch nicht auf einen Flirt angesprungen.
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Johannes Sieber steht regelmässig mit Calvin-Klein-Model-Mine in einer dunklen Ecke. Für den Kuppler schreibt er einmal im Monat von der Banalität des Alltäglichen und hofft, damit seinen Beitrag zur Verbesserung der Welt getan zu haben.
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