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Ein Leben muss geträumt werden, bevor es gelebt werden kann.

Ein Stück Philosophie zum Jahresbeginn
Eine nicht repräsentative Umfrage in meinem demografisch äusserst durchzogenen Freundeskreis hat ergeben, dass sich 90% der Befragten an Silvester eher ihres fortschreitenden Alters bewusst sind als an ihrem eigenen Geburtstag. Woher mag das kommen? Ein Klärungsversuch.
Von Johannes Sieber
Jemand hat einmal geschrieben, dass man so lange jung sei, wie man denkt, dass das Beste im Leben noch kommen werde. Diese These lässt sich stützen mit den Umstand, dass nur alte Menschen von den guten alten Zeiten erzählen und nur junge Menschen Vorbilder wie Musiker, Spitzensportler oder Bundesräte haben und tatsächlich denken, einmal so zu werden wie sie.
Jugend ist das Gefühl, die Welt liege einem zu Füssen und beinhaltet die Idee, es besser zu wissen und es vor allem besser zu machen als die Alten. Was? Alles! Wann? Später, denn Jungsein zeigt sich weniger im tatsächlichen Tun als im Träumen vom tatsächlichen Tun, das zugunsten des Traumes später stattfinden muss.
Jungsein bedeutet folglich Träume zu haben. Träume von eben diesem Besten, das noch kommen wird, geträumt mit diesem gemischten Gefühl aus Ungeduld und dem Wissen darum, dass morgen noch genug Zeit dafür sein wird. Jugend bedeutet die Unsicherheit bezüglich dem richtigen Zeitpunkt, erwachsen zu werden, und die gleichzeitige Überzeugung, dass es einen solchen Zeitpunkt gibt.
Die Jugend hat alle Möglichkeiten offen und ist sich bewusst, dass jede Begegnung die Begegnung des Lebens sein könnte. Das und der unbeirrbare Glaube daran, dass diese Begegnung noch kommen wird ist, was der Alte jenseits eben dieses Zeitpunkts dem Jungen als Naivität auslegt.
Das Sprichwort “Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum!” ist darum weit weniger revolutionär als es im ersten Augenblick wirken mag. Vielmehr ist es ein Aufruf, erwachsen zu werden. Denn seine Träume wahr werden zu lassen verlangt, der Idee von Realität einen entsprechenden Platz einzuräumen. Und das geschieht auf Kosten des Traumes.
Sind wir uns an Silvester unseres Älterwerdens bewusst, weil wir uns auf Jahresende aus der gewohnten Sicht auf das Morgen und das Übermorgen zu einer Retrospektiven verleiten lassen? Und sehen wir dabei allenfalls unsere realisierten Träume? Die gefeierten Erfolge ebenso wie die ernüchternden Fehltritte? Und obwohl wir doch immer behaupten, dass wir keine der Erfahrung missen möchten, überwiegt nicht doch das Gefühl des Verlustes eben dieser Träume, die nicht mehr vor uns liegen, weil sie Realität geworden sind?
Ich weiss es nicht, bin mir aber fast ganz sicher, dass alte Leute darum von der guten alten Zeit erzählen, weil damals ihre Träume noch Träume waren, unberührt einer jeden Realisation. Und ich habe noch einen anderen Verdacht: In meiner Umfrage beantworteten 70% die Frage, warum sie sich an Silvester eher ihres fortschreitenden Alters bewusst sind als an ihrem eigenen Geburtstag damit, dass sie sich an Silvester vor Augen führen müssen, wie viele der Neujahrs-Vorsätze aus den vergangenen Jahren sie erfolgreich realisieren konnten: Keinen.
In diesem Sinne wünsche ich fürs 2008 viele neue Träume. Ganz nach dem Motto: „Ein Leben muss geträumt werden, bevor es gelebt werden kann.“
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Johannes Sieber und Marco Redolfi machen am Samstag, 23. Februar 2008 anlässlich ihrer Geburtstage einen ihrer Träume wahr und lancieren im umgebauten Club Annex, Basel, ihr gemeinsames Gay-Partylabel ‚Pussycat On The Dancefloor’ – Gay Night, Friends welcome, no Dogs.
www.pussycat.otd.ch
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Published inUncategorized