An meiner letzten Party wurde mir ein Exil-Basler vorgestellt. Das hörte sich ungefähr so an: “Das ist Markus, mit ihm hatte ich früher Sex auf dem WC unserer Schule. Heute wohnt er in Zürich und ist erfolgreich.”
Tatsächlich hatte Markus so ein Vasella-Grinsen im Gesicht und roch irgendwie nach “Master of Business Administration”. Er lud uns auch gleich an die Bar zu einem Drink ein, gab mit grosszügiger Geste wenig Trinkgeld und war froh, jemanden gefunden zu haben, der ihm zuhört.
Kennen Sie auch Menschen, die Philosophen zitieren? Und dann so tun, als hätten sie damit mehr sagen wollen als: “Ich habe sie alle gelesen: Sokrates, Platon, Hegel und Kant. Ich weiss Bescheid, ich bin schlau, so kennt man mich, dafür liebt man mich. Gehen wir zu dir oder zu mir?”
Grauenhaft.
Markus zitierte Schopenhauer. Im zweiten Satz.
“Du kannst wohl tun was du willst, aber nicht wollen was du willst.”
Schopenhauer-Zitate sind hübsch aber unterste Schublade. Wer Thomas D. von den Fantastischen Vier kennt weiss das. Dieses schlaue Wortspiel setzt kein Studium in Philosophie voraus und was noch schlimmer ist: Schopenhauer, der so verpicht drauf war, dass nur wer sein gesamtes Werk gelesen und verstanden habe, etwas mit den Fragmenten daraus anfangen könnte, würde sich angesichts dieses Missbrauchs im Grab umdrehen.
Mit Zitaten um sich werfen ist vor allem bei Juristen eine beliebte Disziplin. Manch einer derer besucht Philosophie im Nebenfach nicht nur der Punkte wegen. Hier ein schlaues Wortspiel, da eine keine Weisheit – das hat schon auch rhetorische Qualitäten. Denn während Herr Staatsanwalt zu verstehen versucht, kann er nicht gleichzeitig für einen Angriff rüsten.
Doch: Wirkliche schlaue Menschen stellen kein Zitat in den Raum, ohne nicht auch anzufügen, dass der Zitierte sich geirrt habe und die Wirklichkeit ganz anders sei. Letzten Endes hat das ganze ja auch etwas mit Textverständnis zu tun, nicht?
Darum sei hier festgehalten: Was Markus eigentlich sagen wollte war
“Du kannst es tun, wenn du willst, denn ich habs dringend nötig.”